„Energiewende, Diesel-, Plastik- oder Pestizidverbot sind für die Politik inzwischen ein zentrales Thema. Das berührt in vielen Bereichen auch die Film- und Medienbranche, die sich in vielen Ländern bereits darauf einstellt“, sagt Festivaldirektor Dieter Kosslick. Was spürt man davon bei der diesjährigen Berlinale?
Der ökologische Tatzenabdruck der Berlinale-Bären soll kleiner werden. Als Demonstration des guten Willens haben die Organisatoren der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin in diesem Jahr die Wegwerfbecher aus dem Pressezentrum verbannt. Stattdessen bieten sie für zwei Euro Pfand einen Kunststoffbecher an. Noch bevor man zu den Regalen kommt, wo sich die Journalisten morgens mit den aktuellen Zeitungen und Festivalmagazinen versorgen, empfängt einen ein Tisch mit pyramidenartig aufgetürmten weißen Bechern mit rotem Berlinale-Logo. Derart umweltfreundlich ausgestattet, kann man sich am Wasserspender den Durst löschen oder sich am Kaffeeautomaten noch einen Coffein-Kick vor der nächsten Filmaufführung geben. Klingt ökologisch, hat aber einen Schönheitsfehler, wie die Berliner Zeitung moniert, weil der Kaffee aus („ökologisch eher Bähhh!“) Kapseln gebrüht wird, die dann auch noch aus dem Hause Nestlé stammt.
Als weit wirkungsvoller in der Ökobilanz des Festivals erweist sich wohl die im Dezember eingeweihte Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen München und Berlin. In den Sozialen Medien erhält der ICE, der, angetrieben mit 100% Ökostrom, die beiden deutschen Filmmetropolen innerhalb von vier Stunden verbindet, immerhin viele gute Bewertungen. Eine Münchner Filmproduzentin etwa jubelt: „Der Zug erleichtert mein Leben. Ich komme öfter und gern damit nach Berlin. Und ich kann 4 Stunden in Ruhe arbeiten. Brauche nicht mehr 50 min allein, um zum Flughafen zu kommen…“
Während beim Streetfood vor dem Berlinale-Palast schon lange nicht mehr die Leberkäs-Semmel und das Schweinenackensteak dominieren, sondern handgemachte Spätzle, Biofleisch- und Veggieburger, findet man im Berlinale-Programm nur wenige Spuren, die darauf deuten, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Branche wirklich eine Rolle spielt. Es surren keine Elektromobile durchs Bild und man entdeckt auf der Leinwand auch keine Vegetarier.
Wenn Romy Schneider (hervorragend gespielt von Marie Bäumer) in „3 Tag in Quiberon“ nur Gemüse mit Dipp zu sich nimmt, dann nicht für den Klimaschutz, sondern weil sie wegen ihrer nächsten Filmrolle auf Diät gesetzt wird. Und doch hat der Film etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Die Produktion von Emily Atef wurde mit dem „Grünen Drehpass“ ausgezeichnet, den die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein seit 2012 vergibt. Das Catering aus regionalen Produkten, kein Plastik am Set und kurze Wege sorgten für umweltfreundliche Drehbedingungen. Zwei Drittel des bewegenden Dramas über das Leben des Weltstars Romy Schneider entstanden am Hauptmotiv auf der Ostseeinsel Fehmarn. Kostüm und Maske befanden sich im benachbarten Hotel des Casts. Es waren weder ein großer Fuhrpark noch Dieselgeneratoren notwendig. Alles war bequem zu Fuß erreichbar. Das sparte nicht nur Zeit und Kosten, sondern schonte auch die Umwelt.
Grüne Produktionsbedingungen zeichnete auch der Wettbewerbsbeitrag „Figlia Mia“ aus. Der auf Sardinien gedrehte Spielfilm von Laura Bispuris mit Alba Rohrwacher und Valeria Golino in den Hauptrollen entstand nach den grünen Richtlinien der Sardischen Film Kommission (Sardegna Film Commission, SFC). Energie sparte die Produktion ebenfalls vor allem dadurch, dass man die zurückzulegenden Strecken und die Zahl der Fahrzeuge gering hielt, Fahrgemeinschaften bildete und soweit wie möglich auf Trailer verzichtet hat. Der Strom wurde möglichst nicht aus Generatoren, sondern aus dem Stromnetz bezogen. Wichtig war es, die gesamte Crew vorab für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und beim ökologisch motivierten Ressourcensparen „mitzunehmen“. Das Catering war einer der wichtigen Ansatzpunkte für den nachhaltigen Dreh. Mit dem Koch wurde vereinbart, frische, hochwertige und regionale Produkte zu verwenden. Es gab weder Vorgekochtes noch Nahrungsmittel, die in Plastik verpackt waren. Selbst wenn die Crew unter freiem Himmel gedreht hat, baute der Koch seinen mobilen Herd auf, um vor Ort zu kochen. Statt industriell hergestellter Snacks wurden in den Pausen Erdbeeren und Wassermelonen aus lokalem Anbau serviert.
Und dann gab es doch noch Wes Andersons „Isle of Dogs“. Beim ihm geht es nicht ums grüne Produzieren oder um die kulinarische Versorgung am Set. Der Stopp-Motion-Animationsfilm zeichnet mit seinen Kulissen und Hintergründen das Bild einer Megacity der nahen Zukunft, das an seinem eigenen Müll zu ersticken droht. Der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale erzählt die Geschichte des kleinen Atari Kobayashi, dem Pflegesohn des korrupten Bürgermeisters, der alle Hunde aus der Stadt verbannt, und dabei auch vor Ataris Bodyguard-Hund nicht Halt macht. Auf Trash Island, einer Insel, auf der der Müll der Stadt abgelagert wird, wird der Überlebenskampf der aus der Stadt verstoßenen Vierbeiner inszeniert. Atari begibt sich dort auf eine abenteuerliche Suche nach seinem Hund, freundet sich mit einem Rudel Mischlingshunde an und bricht mit deren Hilfe zu einer epischen Reise auf, die das Schicksal und die Zukunft der ganzen Präfektur entscheiden wird. Es geht um Freundschaft, Treue und Zusammenhalt. Um Betrug und Korruption. Um Gerechtigkeit und politisches Engagement. Und der Film zeigt mit apokalyptischen Motiven (ohne dass es für die Handlung weiter von Belang ist), wie die Welt in naher Zukunft aussehen kann, wenn sich nichts ändert – wie eine Mischung aus Müllkippe, Garzweiler und Fukushima.